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N A C H T H A L O S     D A V O S     6 . & 7 . 1 2 . 2 0 2 2



Auch ohne Sonne oder Mond lassen sich Haloerscheinungen beobachten - an hellen Lampen. Diese sind sogar einiges komplexer als die an Sonne oder Mond.


Beim nächtlichen Spaziergang durch den von Strassenlaternen erleuchtetem Eisnebel sind die Lampenkreuze das zunächst Auffallende: schlecht ausgebildete Lichtkreuze aus ein bisschen Horizontalkreis und Lichtsäulen. Die allgemeine nebelartige Helligkeit um die Lampen entsteht durch unterschiedliche Lichtreflexionen an orientierungslosen Kristalloberflächen und entspricht etwa dem zero order glow bei Regenbögen.




Bemerkenswerterweise sieht man die Lichtkreuze erst ab einer gewissen Entfernung - bei der rechten Strassenlaterne fehlen also keine Eiskristalle, sondern die Halos sind aus dieser Nähe nicht zusehen, nur noch ansatzweise Häufungen ober- und unterhalb der Lampe. Man hat beim Spaziergang immer das Gefühl, weiter vorne sei der Eisnebel aber besser ausgebildet...




Direkt in Lampennähe kann man ein schwieriges Gebilde beobachten: Die im folgenden beschriebene "Minnaert-Zigarre". Auf dem Foto kann man zumindest erkennen, dass die näheren und deswegen scheinbar grösseren Kristalle weiter aussen sitzen als die feineren in Lampennähe (was auch in natura genau so aussieht).



Wenn man in Richtung Lampe schaut und versucht, die Entfernung der Kristallblitze abzuschätzen, gelingt es einem nur für die Kristalle ab einigen Metern Entfernung. Die näheren grossen sind zu schnell, um sie mit den Augen zu fokussieren, bei den entfernteren gelingt das aber durchaus. Nach einer Weile bekommt man den - schwer zu fotografierenden - Eindruck, dass die Kristalle tatsächlich etwa wie entlang einer "Zigarrenform" angeordnet sind, zumindest die ferneren Dreiviertel. Im augennahen Viertel versagt das Gehirn mit der Entfernungsschätzung, und zumindest ich hatte bisher immer den Eindruck, die Zigarre würde sich zum Beobachter hin fast wie eine Trompete öffnen. (Bildbreite ist 45°)

Von der Seite gesehen die verschiedenen Lichtwege Lampe - spiegelnde Fläche - Auge. Vom Auge ausgesehen haben die nächsten (und deswegen am grössten erscheinenden) spiegelnden Flächen den grössten Winkelabstand von der Lampe:




Bei kürzerer Belichtungszeit sieht man eine Häufung im oberen Bereich, die auch visuell stark auffällig war. Der hellste Bereich hat sehr grob die Form des oberen Berührungsbogens - und das ist er auch. Weil jedoch das Licht der Natriumdampflampen recht monochromatisch ist und auch stark blendet, kann man keinen rötlichen "Hängebauch" erkennen, der ihn zweifelsfrei identifizieren würde (Nebenbei: auch im Bereich des Moilanenbogens ist ein vermehrtes Glitzern zu sehen).




Hier eine klassische Lichtsäule. Sie ensteht an den spiegelnden waagerechten Flächen von Plättchen - oder wie heute ausschliesslich! - doppelt orientierten Säulchen (ohne Rotation, sondern jeweils untere und obere Fläche parallel zum Erdboden). Sie reicht hier nicht hoch genug, um noch die Auffächerung des Strahls durch die immer stärker ins Spiel kommenden Reflexionen an den unteren seitlichen Flächen der Parry-Kristalle zu erzeugen.




Auch hier ist noch keine wirkliche Auffächerung der Lichtsäule nach oben zu sehen, nur zu erahnen (sie ist hier zu lichtschwach). Die beiden Lampen am mittleren Flutlichtscheinwerfer haben bemerkenswert scharf getrennte eigene Lichtsäulen.




Wenn man zu einer deutlich höher gelegenen Lichtquelle aufschaut, sieht man den Auffächerungsvorgang durch die unteren seitlichen Flächen der parry-orientierten Säulchen schon viel niedriger:




Auch wenn man von der anderen Seite näher an die Flutlichtscheinwerfer herangeht, kann man diese Haloverbreiterung erkennen.




Der sehr hohe Anteil an Parry-Kristallen erzeugt auch am Mond einen extrem hellen Parry-Bogen (oberer Rand des "Auges"). Die Nebenmonde sind bei dieser Mondhöhe deutlich seitlich vom 22°-Kreis abgesetzt, und man kann schwach erkennen, wie von ihnen nach schräg oben und unten zum 22°-Kreis hin zwei Verbindungen zum Kreis bestehen: der Obere und Untere Lowitzbogen.




Der geschwungene untere Rand des "Auges" mit den "Lidstrichen" ist der Obere Berührungsbogen (oberes Bild). Zu ihm gehört der Untere Berührungsbogen wie ein Zwilling - ich hatte ihn ursprünglich nicht mit eigenen Augen gesehen und nur zufällig auf einem anderen Foto festgehalten:




Am 7.12.2022 stand der Fast-Vollmond gegen 23°° über 60° hoch. Er glänzte mit einem 22°-Kreis und Horizontalkreis (nach oben). Der Mittelpunkt des Horizontalkreises ist der Zenith. Es gab nur einfach orientierte (rotierende) Säulchen, keine doppelt (Parry-) orientierten.






Mit deutlichem Abstand sehen die Halos an den Flutlichtscheinwerfern erheblich anders aus. Etwa in Bildmitte enden sie zunächst wie ein klassischer Sektglashalo - aber viel tiefer, und darüber schwebt noch einmal eine "Wolke". Diese hat eine bräunliche Unterkante, was sie als Oberen Berührungsbogen identifiziert - was auch zum Abstand von der Lichtquelle passt (Bildhöhe = 45°, Abstand Lampe-Unterkante OBB = 22°).




Auf diesem Bild erkennt man gut, dass das "Sektglas" in Wirklichkeit ein deutliches "V" ist: es ist der nur in Schneekanonen-induzierten Eisnebeln auftretende Moilanenbogen. Und wie so oft in Davos ist dieser der erste klar zu sehende Halo nach ein paar Minuten Kristallwachstum (ab Luftfeuchtigkeitssublimation auf dem Schneekanonen-Kondensationskeim), noch bevor der Obere Berührungsbogen klar erkennbar wird.




Ein weiteres Bild der in der Höhe schwebenden Oberen Berührungsbögen.






alle Bilder © B. Radelow 2022

gesehene Halos:

  • 22°-Kreis
  • Nebenmonde
  • Oberer Berührungsbogen
  • Unterer Berührungsbogen
  • Parrybogen
  • Obere Lichtsäule
  • Untere Lichtsäule
  • Horizontalkreis (auch paralunar)
  • Oberer und Unterer Lowitzbogen
  • Moilanenbogen
  • "Sektglas-Halo" an Lampen (Parry-Spiegelhalo)